History of CIRB

Der Corpus der bosporanischen Inschriften und das Album der Illustrationen dazu[1] haben eine lange Geschichte, die nachfolgend auf der Grundlage von veroffentlichten Zeugnissen, Erinnerungen von Beteiligten und Archivdokumenten in ihren Grundzugen dargestellt wird.[2]

Der Beginn eines KBN-Fotoarchivs geht auf die Tatigkeit des Akademiemitglieds der Petersburger sowie der Preu?ischen Akademie der Wissenschaften, V. V. Latyschev (1855-1921)[3], zuruck, der eine Neuausgabe der bosporanischen Inschriften plante, die seine von ihm herausgegebene Sammlung der griechischen Inschriften der Nordschwarzmeerkuste oder die Inscriptiones orae septentrionalis Ponti Euxini (IosPE) vol. II. 1890; IV, 1901 vervollstandigen sollte.[4] Diese Plane lassen sich genau auf 1916, dem Erscheinungsjahr der IosPE ?I, zuruckverfolgen. Latyschev sammelte fur seine epigraphischen Forschungen unentwegt Fotos, Abklatsche und Zeichnungen von insbesondere bosporanischen Inschriften. Besonders oft haben ihn mit diesem Material V. V. Skorpil, K. E. Duhmberg und Ju. Ju. Marty versorgt. F. I. Gross (1822-1897), der als Zeichner K. R. Begicev (gest. um 1862) abloste, schickte Zeichnungen, manchmal Aquarelle und sich in Kerc befindende Denkmaler.[5] Seine Kollegen wie G. E. Kieseritzky (Eremitage), E. P. von Stern (Odessa, dann Halle) u. a. legten gewohnlich Fotos und (oder) Abklatsche bei, wenn sie Latyschev uber neue Inschriftentexte informierten. Bei der Bearbeitung dieser Materialien in Petersburg hatte Latyschev ubrigens die Moglichkeit, die Dienste des Fotografen der Kaiserlichen Archaologischen Kommission, I. F. Cistjakov (gest. 1935), in Anspruch zu nehmen.

Offenbar hat Latyschev alles gesammelt, was es zu dieser Zeit gab,[6] auch unterschiedliche Wiedergaben von Inschriften, die als Material fur seine im gro?en und ganzen um 1918 schon druckreife Ausgabe dienen sollten; er konnte allerdings nicht mit einer vollstandigen Veroffentlichung dieser Abbildungen rechnen, da ein solches Unterfangen in Russland nicht einmal in den besten Zeiten historisch-philologischer Forschungen moglich gewesen war.[7] Nach Latyschevs Tod 1921 wurde die Arbeit an einer Neuauflage der bosporanischen Inschriften in der Leningrader Abteilung des Historischen Instituts (LO I.I., heute SPb I.I.) vom Akademiemitglied S. A. Zebelev (1867-1941) fortgesetzt.[8] Zebelev hat nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Vervollstandigung der Inschriftensammlung geleistet, er hat auch ihre Konzeption geandert:[9]ihm schwebte ein Sammelband vor, der zwar kurzere, aber im Vergleich zur editio maior hermeneutisch detailliertere Erklarungen enthielt; ein betrachtlicher Teil dieser Neuveroffentlichung sollte dabei reichlich mit Illustrationsmaterial versehen werden.[10]

Mit der Zeit entstand aufgrund der von Latyschev zusammengestellten und der von Zebelev vervollstandigten Kollektion in der LO I.I. die umfangreichste Fotosammlung von griechischen Inschriften des Bosporus. Heute ist sie in der Westeuropaischen Sektion des Archivs des SPb I.I. (ZES) untergebracht und von N. Pavlichenko archivarisch dokumentiert.


[*]Der deutsche Text ist eine leicht uberarbeitete Fassung des russischen Uberblicks aus dem CIRB-Album (2004).

 

[1] Der Corpus der bosporanischen Inschriften (KBN) / Corpus inscriptionum Regni Bosporani (CIRB), Moskau / Leningrad 1965. Zu dem Redaktionskollegium, welches diese von mehreren Kollektiven vorbereitete Ausgabe zum Abschluss brachte, gehorten: V. V. Struve (Herausgeber), M. N. Tichomirov, V. F. Gajdukevic, A. I. Dovatur, D. P. Kallistov und T. N. Knipovic.
[2] Au?er dem KBN-Vorwort dienten als Quelle dieses Uberblicks Materialien aus der Abteilung fur Antike des Historischen Instituts. Bei der Suche nach Archivmaterial zur Entstehungsgeschichte des KBN wurde die Redaktion von den Mitarbeitern des SPb I.I. RAN, A. N. Vasil'ev und I. V. Kuklina, unterstutzt.
[3] Zur Bedeutung Latyschevs fur das Studium der Geschichte der Inschriften der Nordschwarzmeerkuste in Russland siehe: E. D. Frolov, Die Russische Altertumswissenschaft. Historiographische Aufzeichnungen. (russ.) SPb. 1999, 233-242.
[4] Gleichzeitig mit dem KBN erschien in Deutschland die Neuausgabe des Corpus im reprint von Latyschev: V. Latyschev (Hrsg.) Inscriptiones antiquae orae septentrionalis Ponti Euxini Graecae et Latinae. Vol. I, II et IV, Hildesheim 1965.
[5] Uber die mit dem Kercer Museum verbundenen Personen siehe: I. V. Tunkina. Die Russische Wissenschaft uber das klassische Altertum in Sudrussland (18. bis Mitte des 19. Jhs.). (russ.) SPb. 2002, 298f.
[6] Der Papyrus- und Inschriftenkenner O. O. Kruger (1893-1967), ein Schuler von M. Rostovcev und G. Cereteli, sagt uber Latyschev bei der Aufzahlung von dessen Verdiensten um die Erforschung des antiken Bosporus: " ... er hat eine enorme Fotothek zusammengestellt." (VDI = Bote der Antiken Geschichte. (russ.) Nr. 2 [1966] 176).
[7] Hierbei stutzen wir uns auf das aufschlussreiche Dokument der Westeuropaischen Sektion (russ. Abkurzung ZES) der SPb I.I. (f. 17, Inventarverz. 2 Nr. 133, Bl. 52-58); diese Notiz mit der Uberschrift Uber die Entstehung und die Perspektiven einer Ausgabe des Corpus der Bosporanischen Inschriften. (russ.) wird nachfolgend mit Uber die Entstehung ... zitiert. Offensichtlich wurde sie von der Redaktion geschrieben, die den KBN von 1965 unter der Leitung von V. V. Struve vorbereitete.
[8] An die Arbeit mit Latyschevs Manuskript (Petersburger Filiale des Archivs = PFA der RAN, f. 729, Inventarverz. 1, Nr. 34) erinnert S. A. Zebelev in seinem "Selbstnachruf", der von E. D. Frolov und I. V. Tunkina im VDI Nr. 2 [1993], 182 veroffentlicht wurde: "Nach Latyschevs Tod wurde von Zebelev die unveroffentlichte Ausgabe des 2. Bandes der IosPE – Inscriptiones regni Bosporani –vorbereitet."
[9] So die Meinung des letzten Teilnehmers an den Corpus- Arbeiten und des KBN-Rezensenten nach dessen Erscheinen; siehe S. Oswiecimski. Nowe wydanie napisow Bosporanskich // Archeologia 18 (1967), 242. Ebenso au?ern sich diese Autoren in der lateinischen Rezension: B. Nadel, S. Oswiecimski: In Inscriptiones Bosporanas nuperrime editas adnotationes aliquot // Eos 56 (1966), 223-225.
[10] Uber die Entstehung ... , Bl. 1.